
Infolge des Kriegs in der Ukraine schnellen die Energiepreise in die Höhe. Somit ist es jetzt noch wichtiger, die Energieeffizienz von Gebäuden zu verbessern, den Verbrauch von klimaschädlichen fossilen Brennstoffen zu senken und auf erneuerbare Energiequellen umzusteigen. Von Judi Seebus
Unternehmen in allen Wirtschaftszweigen haben mit den steigenden Energiepreisen zu kämpfen. Energieintensive Betriebe des produzierenden Gewerbes sind jedoch besonders stark betroffen: Sie müssen derzeit durchschnittlich 140 Prozent ihrer Miet- und Gebäudekosten für Heizung, Kühlung und Energieversorgung aufwenden, wie eine Studie von Colliers zeigt.
Auch in der Hotelbranche verschlingen die Energiekosten einen beachtlichen Anteil der Erträge. Bei Büro- und Einzelhandelsimmobilien hingegen sind die Energiekosten im Verhältnis zu den Erträgen vergleichsweise gering. Doch in allen Immobiliensegmenten sind Vermieter bestrebt, die Verbrauchswerte zu überwachen und zu reduzieren. Damit verbessern sie nicht nur ihre Umweltbilanz, sondern sie verschaffen sich auch deutliche wirtschaftliche Vorteile. „Bei den aktuell hohen Energiepreisen amortisieren sich Energiesparmaßnahmen schneller“, erklärt Madeline Buijs, Chief Economist und Head of Research bei Colliers.
Bei den aktuell hohen Energiepreisen amortisieren sich Energiesparmaßnahmen schneller.
Industrie und Logistik gehen auf dem Klimapfad voran
Das Segment Industrie- und Logistikimmobilien ist auf dem Klimapfad wohl am weitesten vorangeschritten. Hier wurden die CO2-Emissionen bereits stärker als in anderen Segmenten gesenkt. Große Betriebs- und Dachflächen eignen sich bestens für die Installation von Solaranlagen und die führenden Akteure fassen auch schon zur Reduzierung ihrer Abhängigkeit von den Mieterträgen lukrative Einnahmemöglichkeiten aus dem Stromverkauf ins Auge. So will der in Hamburg ansässige Spezialist für Industrieimmobilien Garbe mithilfe der Tochtergesellschaft Garbe Renewable Energy (kurz Green) alle Objekte in seinem Bestand bis 2040 klimaneutral betreiben.
Auch in anderen Immobiliensegmenten setzt man verstärkt auf innovative Energiesparmaßnahmen und erneuerbare Energiequellen: Das 2014 fertiggestellte The Edge in Amsterdam zählt nach wie vor zu den innovativsten und nachhaltigsten Bürogebäuden der Welt und wurde mit dem BREEAM-Nachhaltigkeitsrating „Outstanding“ ausgezeichnet.
Das Objekt gilt als erstes Smart Building der Welt und hat die bislang höchste BREEAM-Punktzahl von 98,36 Prozent erzielt. Es ist mit Solarmodulen sowie mit insgesamt 28.000 Sensoren für die Präsenz-, Helligkeits-, Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsmessung ausgestattet.
Energie aus erneuerbaren Quellen macht nachhaltiges Wohnen bezahlbar
Im Mietwohnungssegment ist der 2022 aufgelegte Catella Elithis Energy Positive Fund der weltweit erste Fonds, der den Fokus ausschließlich auf europäische Wohnimmobilien richtet, die mehr Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen, als ihre Bewohner verbrauchen. So wird nachhaltiges Wohnen auch bezahlbar, da die Mieter sehr geringe oder gar keine Energierechnungen zu zahlen haben.
In allen Marktsegmenten suchen Vermieter nach neuen Technologien, um zum Beispiel ihre Gebäude mittels Geothermie zu heizen oder zu kühlen, um Abwasser oder Industrie-Abwärme zum Heizen zu nutzen oder aber von Nah- oder Fernwärmenetzen zu profitieren.
Darüber hinaus können gebrauchte Batterien aus Elektroautos eine neue Verwendung als Energiespeicher in einem Objekt finden, das Strom aus Sonnenenergie oder einer anderen erneuerbaren Energiequelle bezieht. „Manchmal ist es weniger eine Frage der Innovation, sondern der besseren Vernetzung, des Wissensaustauschs und der Bereitschaft, die Möglichkeiten auszuloten und überholte Vorschriften zu ändern“, meint Christoph Holzmann, Chief Operating Officer bei der Union Investment Real Estate GmbH.
„Außerdem müssen wir bei der Materialauswahl intelligenter vorgehen und möglichst recycelte oder recycelbare Baustoffe verwenden, um die in der Bauphase anfallenden CO2-Emissionen und die Anzahl der Neubauten zu reduzieren.“
Daten sind das neue Gold. Die neuen Technologien sind für uns eine große Chance, aber wir stehen hier noch ganz am Anfang.
EU hat den Immobiliensektor im Visier und macht Druck bei der Energiewende
Die Europäische Union will bis 2050 der erste große Wirtschaftsraum mit einem klimaneutralen Gebäudebestand werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass im Zieljahr noch rund 80 Prozent des heutigen Immobilienbestands vorhanden sein werden. Daher können die Klimaziele der EU nur dann erreicht werden, wenn die Energieeffizienz dieser Objekte deutlich verbessert wird und ihre CO2-Emissionen durch umfassende Sanierungsmaßnahmen drastisch reduziert werden.
Innovative Lösungen und technische Durchbrüche weisen den Weg
Joost Vooijs, Partner/Director Asset Services bei Colliers, setzt bei der Realisierung der Energiewende auf Big Data: „Daten sind das neue Gold. Wir müssen aussagekräftige Daten über den aktuellen Energieverbrauch sowie über Optimierungspotenziale gewinnen. Die neuen Technologien sind für uns eine große Chance, aber wir stehen hier noch ganz am Anfang.“ Ein intelligentes Monitoring ist nach Auffassung von Joost Vooijs entscheidend: „Moderne Monitoring-Lösungen zeigen, wann welche Räume genutzt werden. Sie können sogar die Belegung einzelner Schreibtische verfolgen. Diese Informationen helfen uns dabei, die Heizungs- und Kühlsysteme in unseren Gewerbeimmobilien optimal einzustellen, Reinigungspläne auf Geschoss- beziehungsweise Raumebene gezielt anzupassen und schließlich die Flächen- und Ressourcennutzung zu optimieren.“
Anforderungen an die Gesamteffizienz von Gebäuden erfüllen
Durch technische Durchbrüche – zum Beispiel im Bereich „grüner Wasserstoff“ – könnten in den kommenden Jahrzehnten erneuerbare Energiequellen im großen Umfang zur Verfügung stehen. Des Weiteren kommen geothermische Wärmepumpen in der Branche auch bei Sanierungen immer häufiger zur Anwendung, wenn es darum geht, die Anforderungen der EU-Richtlinie zur Gesamteffizienz von Gebäuden zu erfüllen.

Gebäude als Energiespeicher ins Kalkül ziehen
In dieser Hinsicht bestehe die größte Herausforderung der Immobilienbranche darin, die Energie dort zu gewinnen, wo sie benötigt wird, meint Colliers-Experte Vooijs: „Im Automobil- und im Schiffsbau kommen bereits Speicherbatterien in Verbindung mit erneuerbaren Energiequellen zum Einsatz. Auch in unserer Branche wird die Entwicklung in diese Richtung gehen müssen. Wenn wir Gebäude als Energiespeicher nutzen, entlasten wir die Versorgungsnetze. Kürzere Transportwege bedeuten außerdem weniger Kosten und weniger CO2-Emissionen.“
Von Judi Seebus