Erforschung einer Assetklasse

In den USA zählen sie bereits zu den „heißesten“ Immobilieninvestments, und auch in Europa nimmt das Interesse an Life-Science-Objekten zu. Doch der Investorennachfrage steht ein begrenztes Angebot gegenüber, insbesondere in Deutschland. Von Birgitt Wüst

Biowissenschaften sind im Moment wahrscheinlich das spannendste Thema für Immobilieninvestitionen in Europa“, sagt Timothé Rauly, Global Head of Fund Management Axa IM Alts. Die Konzerntochter von Axa Investment Managers hat gerade 1,9 Milliarden Euro eingesammelt, die in spezialisierte Labor- und Büroflächen in Europa, insbesondere in den Niederlanden, im UK, in Deutschland und Frankreich fließen sollen – der Investmenttrend zu Life-Science-Immobilien, einer in den USA bereits etablierten Assetklasse, ist in Europa angekommen. 


Dazu beigetragen hat nicht zuletzt der weltweite Wettlauf um die Entwicklung eines Covid-19-Impfstoffs. Doch auch vor Corona war der Sektor auf dem Radar von Immobilieninvestoren, unter anderem aufgrund bahnbrechender Fortschritte auf dem Gebiet der Biowissenschaften, etwa in der Krebs-, Gentherapie- und Immunologieforschung. Im Zuge der „Bio-Revolution“ fließen öffentliche wie private Mittel vermehrt in den Sektor und kurbeln die Forschungsproduktivität an, vor allem in den wohlhabenden Ländern mit einer alternden Bevölkerung, in denen Gesundheit eine große Rolle spielt. 


Angesichts der günstigen Prognosen für den Wirtschaftszweig dürfte der Flächenbedarf weiter zunehmen, was wiederum Immobilieninvestoren auf den Plan ruft. Allerdings sei der europäische Markt im Vergleich zu den USA „weniger ausgereift“, sagt Andri Eglitis, Head of Research bei Swiss Life Asset Managers Deutschland. Das Transaktionsvolumen sei „kaum messbar“, was weniger am geringen Investoreninteresse denn am mangelnden Angebot liegen dürfte.


Laboratorien des Jenner-Instituts
David Levene

Life-Science-Cluster mit hoher Dichte an Forschungseinrichtungen

Bisher sei es relativ schwer, in Deutschland Investitionsmöglichkeiten zu finden, berichtet auch Jan Linsin, Head of Research bei CBRE: „Viele spezialisierte Life-Science-­Einrichtungen werden von den Eigentümern selbst genutzt.“ Doch zeigten die Erfahrungen aus anderen europäischen und angelsächsischen Märkten, „dass sich Investoren auf den Erwerb von Gebäuden mit pharmazeutischen respektive medizinischen Mietern konzentrieren oder nach Sale-and-lease-back-Möglichkeiten für bislang eigengenutzte Objekte suchen“. Dies ist etwa im „goldenen Dreieck“ zwischen Cambridge, Oxford und London der Fall, das sich seit Jahren eines hohen ­Investoreninteresses erfreut und zuletzt mit der Entwicklung des Astrazeneca-Impfstoffs hervortat. Für Axa-Manager Rauly ist das goldene Dreieck „definitiv ein Standort, in den wir weiterhin investieren wollen“. 


Was solche „Hotspots“ auszeichnet, ist eine hohe Dichte an Forschungsein­rich­tungen, die Nähe zu renommierten Universitäten, Krankenhäusern sowie zu Healthcare- oder Pharma-Unternehmen. „Life Science funktioniert dauerhaft vor allem in Clustern – und die ­notwendigen­ Gegebenheiten gibt es in Deutschland nur an bestimmten Stellen“, sagt Dominic Thoma, Team Leader Industrial Investment bei JLL München. Neue Ansiedlungen bei Laborimmobilien, die nicht in Clustern erfolgen, seien eher auf individuelle Anforderungen eines Nutzers zurückzuführen, beispielsweise für Corona­tests, die möglichst rasch und daher regional ausgewertet werden müssen. 


Doch ein funktionierendes Life-Science-­Cluster setze neben den genannten Kriterien auch „Urbanität und eine hohe Lebensqualität“ voraus, betont Thoma: „Forscher im Bereich Biowissenschaften sind gefragte Fachkräfte – sie können sich aussuchen, wo sie arbeiten.“ Zu den Hotspots in Deutschland zählt denn auch nicht von ungefähr das Umland attraktiver Großstädte mit bekannten Universitäten und Forschungseinrichtungen wie etwa Hamburg, München (unter anderem Martinsried-Planegg-Großhadern oder Garching) – oder auch Berlin, wo Swiss Life Asset Managers gemeinsam mit Beos, wie Andri Eglitis berichtet, jüngst mit den Max Dohrn Labs (2020) und dem Curve-­Campus (2021) zwei Life-Science-Gebäude erworben hat.


Life Science funktioniert dauerhaft nur in Clustern.
Dominic Thoma, Team Leader Industrial Investment, JLL

In der Due Diligence müssen zusätzliche Kennziffern beachtet werden

Grundstücke an gut erschlossenen Lagen­ im Umfeld von Metropolen haben ihren Preis, zudem sind Gebäude für die biowissenschaftliche Forschung in der Herstellung teurer als gewöhnliche Büro­immobilien. „Laboreinrichtungen und Gerätschaften erfordern höhere Decken und breitere Gänge; die Böden müssen stärkeren Belastungen standhalten“, sagt Thoma. „Hinzu kommen Technik- sowie Ver- und Entsorgungsschächte, Be- und Entlüftungsanlagen, Versorgung mit Wasser, Druckluft und gegebenenfalls medizinischen Gasen et cetera.“ Der Umnutzung von Büro- zu Life-Science-Gebäuden sind daher Grenzen gesetzt. 


Auch sollten Investoren bei der Due Diligence von Life-Science-Objekten Kennziffern beachten, die über die traditionellen wirtschaftlichen, demografischen und klassischen Immobilienmarkt- und Objektdaten hinausgehen, sagt Linsin. „So etwa Informationen über universitäre Forschungsinitiativen und -finanzierungen, die Verfügbarkeit von Fachkräften, Risikokapitalfinanzierung, die Umsatzkonzentration auf einzelne Forschungsportfolios inklusive des Auslaufprofils der Patente, die mögliche staatliche Unterstützung und die Verfügbarkeit von Inkubator-Einrichtungen.“ Trotz dieser „Hürden“ ist der CBRE-Experte davon überzeugt, dass auch in den deutschen Forschungsregionen Life-Science-Cluster entstehen werden. Eine Einschätzung, die Eglitis teilt: „Der demografische Wandel, steigende Ausgaben für das Gesundheitswesen und neue Technologien treiben die Branche an, während die Immobilien selbst ein attraktives Risiko-Rendite-Profil durch Diversifizierung über Produkttypen und Mieter aufweisen.“


Von Birgitt Wüst


Titelbild: ddp images

Mehr zu diesen Themen: