Zimmer gesucht

Private Studentenwohnheime sind an den europäischen Immobilienmärkten selten zu finden. Der massive Nachfrageüberhang nach Studentenunterkünften auf dem gesamten Kontinent eröffnet Investoren und Betreibern allerdings neue Chancen. Dabei kommt es auf das richtige Know-how und die passenden Partner an. Von Paul Allen

In den meisten ­Immobiliensegmenten ging die Investitionstätigkeit im zweiten Halbjahr 2022 zurück. Nur die Investitionen in zweckgebundene Studentenwohnheime erreichten mit 11,6 Milliarden Euro in den EMEA-Märkten ein Rekordniveau, wie Daten von JLL zeigen.


Die Immobilienberatung schätzt die Zahl der Studierenden in der EU und im Vereinigten Königreich auf insgesamt mehr als 20 Millionen. Nach einem pandemiebedingten Rückgang hat sich die Nachfrage nach Unterkünften wieder erholt. Zugleich nimmt die Zahl der Studierenden – vor allem derjenigen, die aus dem Ausland kommen – weiterhin stark zu.


„Die neue Mobilität und der Trend zum Auslandsstudium führen zu einer enormen Nachfrage nach Unterkünften, die speziell den Bedürfnissen dieser Zielgruppe gerecht werden“, erklärt Frank Uffen, MD Community & Partnerships bei The Social Hub.


Große Universitätsstädte leiden unter chronischer Unterversorgung

Zusätzlich sorgt die Energiekrise für eine erhöhte Nachfrage nach energieeffizienten Apartments. Dazu Georg-Christian Rueb, Fondsmanager bei Union Investment: „Hier hat ein modernes Studenten­apartment einen klaren Vorteil gegenüber einer Wohngemeinschaft in einem unsanierten Altbau.“ Diesen Nachfragefaktoren steht eine chronische Unterversorgung gegenüber: Schätzungen von JLL zufolge fehlen in den großen Universitätsstädten Europas circa 2,6 Millionen Studentenzimmer. Steigende Kosten, immer neue Bauvorschriften und fehlendes Bauland in Campusnähe erschweren den Neubau von Wohnheimen. 


Anbieter The Social Hub zeigt sich jedoch optimistisch, wenn es darum geht, mit öffentlichen und privaten Partnern nach Möglichkeiten zu suchen. „Es ist uns mit diesem Ansatz gelungen, in Porto, Rom, Florenz, San Sebastian, Glasgow und Turin neue Standorte zu etablieren“, sagt Frank Uffen. Um der Nachfrage gerecht zu werden, geht die International Campus Group bei der Erschließung neuer Projekte kreative Wege, wie CEO Gawain Smart erläutert: „Wir konzentrieren uns auf ausgewählte Objekte in Schlüsselmärkten, auf die Bestandssanierung sowie künftig auch auf Umnutzungsprojekte.“


Als hochwertige Studentenunterkünfte gelten nach Meinung von Gawain Smart zentral gelegene Ein-Zimmer-Apartments mit Bad, Küchenzeile und Hausverwaltung. Auch bequeme Buchungssysteme, Sicherheitstechnik und Gemeinschaftseinrichtungen seien von entscheidender Bedeutung. Die Konjunkturunabhängigkeit des Marktsegments macht ein Investment in Studentenwohnheime attraktiv: Der Bildungssektor ist gegen Konjunktur­einbrüche weitgehend unempfindlich und sorgt für eine relativ stabile Nachfrage nach Studentenunterkünften. 


Institutionelle Anleger profitieren von einem stabilen Cashflow. Lars Vandrei, Senior Research Manager bei Catella Residential Investment Management, stellt fest: „In diesem Bereich lassen sich höhere Erträge als mit anderen Wohnimmobilien erzielen und leichter entsprechende Renditeziele erreichen.“


Genaue Marktkenntnisse sind ein wichtiger Erfolgsfaktor, denn die Rahmenbedingungen sind in jedem Land anders. Benjamin Rüther, Head of Fund Management bei Catella, erklärt: „Man muss wissen, welche Hochschulen international kooperieren und aus welchen Ländern die Studierenden kommen. Auch der private Wohnungsmarkt einer Stadt muss eingehend analysiert werden, da er mit den Wohnheimen möglicherweise in Konkurrenz steht.“


Eine klassische Immobilienverwaltung wie im Wohnsektor reicht nicht aus

Die Vertragslaufzeiten sind relativ kurz und der Mietpreis kann bei jedem Mieterwechsel an das Marktniveau angepasst werden. Da in der Regel Pauschalmieten gezahlt werden, können zwischenzeitliche Kostensteigerungen jedoch nicht direkt an die Mieter weitergereicht werden. Henrik von Bothmer, Investment Manager bei Union Investment, meint: „Der Vermieter muss daher bei Neuvermietungen die Kostensteigerungen genau im Blick behalten.“


Auch ein häufiger Mieterwechsel ist zudem mit einem höheren Vermietungsaufwand und Vermarktungseinsatz verbunden. „Dafür benötigt man ein versiertes Management, das den gesamten Vermietungsprozess digitalisiert. Eine klassische Immobilienverwaltung wie im Wohnimmobilienbereich reicht da nicht aus“, so von Bothmer.


Von Paul Allen


Titelbild: IC

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